Anscheinsbeweis bei „berührungslosen Unfällen“

Verkehrsunfall Anscheinsbeweis

Erweiterung des Anscheinsbeweis es auf „berührungslose Unfälle“

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2024 stellt eine bemerkenswerte Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung dar, indem es den Anscheinsbeweis auch auf „berührungslose Unfälle“ ausweitet. Traditionell wird der Anscheinsbeweis in Verkehrsunfällen in Fällen verwendet, bei denen ein Fahrzeug auffährt und typischerweise davon auszugehen ist, dass der Auffahrende entweder den Abstand nicht eingehalten oder unaufmerksam war. Doch was passiert, wenn ein Unfall geschieht, ohne dass es zu einer Kollision zwischen den Fahrzeugen kommt, jedoch ein Fahrfehler oder ein plötzliches Bremsmanöver die Ursache des Unfalls war?

Das Urteil verdeutlicht, dass auch hier der Anscheinsbeweis greifen kann. Im vorliegenden Fall führte der Kläger ein starkes Abbremsen durch, nachdem der vorausfahrende Pkw stark abbremste, um einer entgegenkommenden Fahrzeugführerin auszuweichen. Der Kläger stürzte, weil er mit seinem Motorrad ins Rutschen geriet, ohne dass eine Kollision mit dem vorausfahrenden Fahrzeug stattfand. Obwohl es in diesem Fall nicht zu einem Aufprall kam, ist die Art und Weise, wie der Kläger auf das Verhalten des vorausfahrenden Fahrzeugs reagierte, entscheidend für die Haftung und führt zur Anwendung des Anscheinsbeweises.

Typische Fälle, in denen der Anscheinsbeweis greift

Typischerweise wird der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen angewendet, bei denen der Auffahrende für den Unfall verantwortlich gemacht wird. Dabei stellt sich die Frage, ob der Fahrer den notwendigen Sicherheitsabstand eingehalten hat, ob er unaufmerksam war oder mit unangepasster Geschwindigkeit fuhr. Diese Elemente sind in der Verkehrspraxis häufig und führen dazu, dass der erste Anschein der Schuld beim Auffahrenden liegt.

Doch was passiert bei „berührungslosen Unfällen“? Die Antwort darauf gibt der BGH mit diesem Urteil: Der Anscheinsbeweis kann auch hier angewendet werden, wenn es einen typischen Unfallverlauf gibt. In diesem Fall wird angenommen, dass das Fahrverhalten des vorausfahrenden Fahrzeugs die Reaktion des nachfolgenden Fahrzeugs (des Klägers) beeinflusste, auch wenn es zu keiner direkten Kollision kam. Der Kläger bremste, und das Motorrad geriet ins Rutschen – ein klassisches Beispiel für eine „reaktive Reaktion“ auf das Verhalten eines anderen Fahrzeugs.

Anscheinsbeweis – mehr als nur eine Theorie

Der Anscheinsbeweis ist keine theoretische Hypothese, sondern ein praktisches Instrument zur Feststellung der Haftung. Er basiert auf der Erfahrung und der Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Ereignisse in der Regel bestimmte Ursachen nach sich ziehen. In Verkehrsunfällen führt dieser Beweis in vielen Fällen dazu, dass der hintere Fahrzeugführer für den Unfall verantwortlich gemacht wird, wenn er in typischer Weise unaufmerksam oder zu schnell unterwegs war. Durch das Urteil des BGH wird nun auch klar, dass dieser Beweis auf „berührungslose Unfälle“ ausgeweitet wird, in denen keine Kollision stattfindet, aber dennoch ein Fehler im Fahrverhalten des Hintermanns zu einem Unfall führt.

Das bedeutet für die Praxis, dass Anwälte und Versicherer bei der Beurteilung von Unfallursachen auch dann von einem Anscheinsbeweis ausgehen können, wenn die Fahrzeuge nicht miteinander kollidiert sind. Wenn der Unfall durch das Fahrverhalten des Vorausfahrenden (zum Beispiel durch plötzliches Abbremsen) ausgelöst wurde und der Hintermann eine untypische oder unangemessene Reaktion darauf zeigte (zum Beispiel durch eine Vollbremsung und den darauf folgenden Sturz), ist der Anscheinsbeweis ein wertvolles Mittel zur Klärung der Haftungsfrage.

Betriebsgefahr – Ein weiterer Schlüsselbegriff im Urteil

Das Urteil des BGH befasst sich auch intensiv mit der sogenannten Betriebsgefahr, die einem Fahrzeug bei einem Unfall zugeordnet wird. Diese Betriebsgefahr bezieht sich auf das Risiko, das durch den Betrieb eines Fahrzeugs entsteht, und welches auch dann haftbar gemacht werden kann, wenn der Unfall ohne direkte Kollision geschieht. Der BGH stellt klar, dass ein Schaden bereits dann als „bei dem Betrieb“ eines Kfz entstanden gilt, wenn sich die Gefahren des Kfz im Unfallgeschehen ausgewirkt haben.

In diesem Fall war die Betriebsgefahr des Pkw, der vor dem Kläger fuhr, maßgeblich, da dessen plötzliches Abbremsen (aufgrund des entgegenkommenden Fahrzeugs) den Kläger zu einer Bremsung veranlasste, die letztlich zum Sturz führte. Auch wenn es zu keinem direkten Kontakt mit dem Fahrzeug des Vorausfahrenden kam, führte dessen Fahrweise dennoch dazu, dass der Kläger einen Fahrfehler beging, der zum Unfall führte. Daher kann die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs auch in einem solchen Fall zugerechnet werden.

Bedeutung für die Schadensregulierung und Haftungsquote

Das Urteil zeigt, dass nicht nur direkte Kollisionen zur Haftung führen können, sondern auch „berührungslose“ Unfälle. Für die Schadensregulierung bedeutet das, dass bei Unfällen, bei denen der Geschädigte aufgrund der Fahrweise eines anderen Fahrzeugs stürzt, auch die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Vorausfahrenden zur Haftung herangezogen werden kann.

Die Haftungsquote muss dabei im Einzelfall abgewogen werden. So stellt der BGH klar, dass der Kläger hier selbst einen Fehler begangen hat, indem er auf das starke Abbremsen des Vorausfahrenden mit einer Vollbremsung reagierte, was letztlich zu seinem Sturz führte. Dennoch war die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs nicht zu vernachlässigen. Das Berufungsgericht hatte eine Haftungsquote von 40 % zugunsten des Klägers festgelegt, was durch das Urteil des BGH bestätigt wurde, jedoch auch zu einer weiteren Prüfung der genauen Haftungssituation führte.

Fazit: Ein wegweisendes Urteil für die Praxis

Das Urteil des BGH vom 3. Dezember 2024 erweitert den Anscheinsbeweis auf Fälle von berührungslosen Unfällen und zeigt die Bedeutung der Betriebsgefahr im Verkehrsunfallrecht. Es verdeutlicht, dass bei Verkehrsunfällen nicht nur die direkte Kollision eine Rolle spielt, sondern auch die Auswirkungen des Fahrverhaltens eines anderen Fahrzeugs auf den Unfallhergang. Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt hin zu einer gerechteren und umfassenderen Haftungsbeurteilung bei Verkehrsunfällen, insbesondere bei den immer häufiger werdenden Fällen, in denen Fahrzeuge ohne direkten Kontakt miteinander zu Unfällen führen.

Für Anwälte, Versicherer und Verkehrsteilnehmer ist dieses Urteil von entscheidender Bedeutung, da es eine klare Linie für die Haftungsbewertung bei berührungslosen Unfällen aufzeigt und die Praxis im Umgang mit der Betriebsgefahr und dem Anscheinsbeweis entscheidend beeinflussen wird. Es ist zu erwarten, dass dieses Urteil zu einer Vielzahl von Folgeentscheidungen führen wird, die die Haftungsfrage bei Unfällen ohne direkte Kollision weiter präzisieren.

Ihr Ansprechpartner für Verkehrsrecht in Berlin – Rechtsanwalt Thomas Brunow

Thomas Brunow AnscheinsbeweisRechtsanwalt Thomas Brunow ist Ihr erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten – von der Schadenregulierung über Bußgeldverfahren bis hin zur Verteidigung in Verkehrsstrafsachen.

Dank seiner langjährigen Erfahrung und seiner Tätigkeit als Vertrauensanwalt des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandesgenießt er großes Vertrauen in der Automobilbranche. Zudem ist er aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.

Leistungen von Rechtsanwalt Thomas Brunow:

Schadenregulierung nach Verkehrsunfällen – Durchsetzung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen.
Verteidigung in Verkehrsstrafsachen – Spezialisierung auf Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht, Nötigung und Körperverletzung im Straßenverkehr.
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Mit Fachwissen, Erfahrung und Durchsetzungsstärke sorgt Rechtsanwalt Thomas Brunow für eine effektive Vertretung im Verkehrsrecht.

📍 Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner
📍 Eichendorffstraße 14, 10115 Berlin
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Obliegenheitsverletzung in der Kaskoversicherung

Kaskoversicherung

Obliegenheitsverletzung in der Kaskoversicherung: Späte Unfallmeldung und Arglist

1. Verpflichtungen des Versicherungsnehmers nach einem Unfall

Nach einem Verkehrsunfall ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistungspflicht der Versicherung erforderlich ist. Dies umfasst insbesondere die unverzügliche Meldung des Schadens, das Bereitstellen von Informationen und gegebenenfalls die Sicherung von Beweisen. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Obliegenheit nicht nach, riskiert er eine Kürzung oder gar den Verlust seines Versicherungsschutzes. Besonders kritisch ist das Verlassen der Unfallstelle, ohne eine umgehende Schadenmeldung zu erstatten.

Ein bedeutender Aspekt ist die zeitnahe Meldung des Unfalls an die Versicherung. Verzögerungen können dazu führen, dass der Versicherer den Schaden nicht mehr vollumfänglich nachvollziehen kann, insbesondere wenn mögliche Beweise bereits verloren gegangen sind oder nicht mehr in der ursprünglichen Form vorliegen. Dies kann im Schadensfall erhebliche Konsequenzen haben und zu einer Leistungsverweigerung durch den Versicherer führen.

2. Späte Unfallmeldung und deren Folgen

Eine wesentliche Verletzung der Aufklärungspflicht liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden nicht unverzüglich meldet. Das durch § 142 Abs. 2 StGB geschützte Aufklärungsinteresse des Versicherers wird nur gewahrt, wenn die Meldung entweder direkt bei der Versicherung oder einem berechtigten Vertreter erfolgt. Die Benachrichtigung eines unabhängigen Versicherungsmaklers, der nicht als Vertreter des Versicherers gilt, genügt nicht den Anforderungen an eine rechtzeitige Schadensmeldung. Erfolgt die Weiterleitung der Information verzögert, kann dies dazu führen, dass der Versicherer leistungsfrei wird.

Im Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az. 5 U 102/23, Urteil vom 31. Juli 2024, VersR 2024, 1536 = RuS 2024, 847) wurde entschieden, dass eine späte Meldung des Versicherungsnehmers, insbesondere nach Verlassen der Unfallstelle, als Obliegenheitsverletzung zu werten ist. Die Mitteilung an einen Versicherungsmakler stellt dabei keinen hinreichenden Ersatz für die direkte Information des Versicherers dar.

3. Arglistige Obliegenheitsverletzung bei der Kaskoversicherung

Ein Versicherungsnehmer handelt arglistig, wenn er bewusst Feststellungen zum Unfallhergang vereitelt. Ein klassisches Beispiel ist ein Fahrer, der nach einem Unfall keine Unbeteiligten hinzuzieht, sein stark beschädigtes Fahrzeug in Eigenregie entfernt und den Vorfall verspätet der Polizei meldet, ohne eine nachvollziehbare Begründung für die Verzögerung zu liefern. Wird die Schadenmeldung zudem nur durch einen Versicherungsmakler übermittelt, von dem der Versicherungsnehmer weiß, dass die Meldung nicht umgehend an die Versicherung weitergegeben wird, kann dies ebenfalls als arglistig gewertet werden.

Eine arglistige Obliegenheitsverletzung führt dazu, dass die Kaskoversicherung von jeglicher Leistungspflicht befreit ist, selbst wenn der Schaden an sich versichert gewesen wäre. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Versicherungsnehmer den Unfall unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln verursacht hat – allein die bewusste Verhinderung der Feststellung ist entscheidend.

In dem genannten Fall vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken (Az. 5 U 102/23) lag eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vor, da der Versicherungsnehmer den Unfallhergang verzögert meldete und zudem unzutreffende Angaben zu den Geschehnissen machte. Dadurch war es dem Versicherer unmöglich, relevante Feststellungen zum Unfallgeschehen vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Fahrfehler oder den Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln.

4. Rechtsprechung zur Obliegenheitsverletzung bei der Kaskoversicherung

Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass eine späte Unfallmeldung oder falsche Angaben zur Schadensentstehung den Versicherungsschutz entfallen lassen können. So kann eine verspätete Mitteilung an die Polizei oder der Versuch, den Unfallhergang nachträglich zu beschönigen, als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung gewertet werden. Insbesondere wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer bewusst spät informiert, um Feststellungen zum eigenen Fehlverhalten zu verhindern, liegt Arglist vor.

Ein weiteres Beispiel findet sich in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 21. November 2012, Az. IV ZR 97/11, VersR 2013, 175), in der festgestellt wurde, dass eine verspätete Meldung des Versicherungsnehmers dann eine Obliegenheitsverletzung darstellt, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem Feststellungen zur Fahrtüchtigkeit oder zum Unfallhergang nicht mehr möglich sind. In solchen Fällen kann der Versicherer die Leistung verweigern, selbst wenn kein nachweisbarer Versicherungsbetrug vorliegt.

5. Fazit: Sorgfaltspflichten bei der Kaskoversicherung ernst nehmen

Versicherungsnehmer sollten darauf achten, nach einem Unfall umgehend die Polizei und ihre Versicherung zu informieren. Unverzügliches Handeln ist essenziell, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Besonders wichtig ist es, keine falschen oder verzögerten Angaben zu machen, da dies zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann. Wer sich seiner Pflichten bewusst ist, kann vermeiden, dass ihm der Versicherungsschutz nachträglich versagt wird.

Gerichte legen großen Wert darauf, dass Versicherungsnehmer aktiv zur Aufklärung des Unfallgeschehens beitragen. Eine verzögerte oder unvollständige Meldung kann erhebliche Konsequenzen haben und sollte unbedingt vermieden werden.

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Linksabbieger gegen überholendes Motorrad

Linksabbieger

Ein folgenschwerer Unfall: Linksabbieger gegen überholendes Motorrad

Landgericht Kiel: Urteil vom 11.10.2023, Az. 10 O 78/20

Ein schwerer Unfall zwischen einem linksabbiegenden Pkw und einem überholenden Motorradfahrer beschäftigte das Landgericht Kiel. Später befasste sich auch das Oberlandesgericht mit dem Fall. Die Entscheidung ist wichtig für Haftungsquoten, Sorgfaltspflichten und Schmerzensgeld. Themen wie doppelte Rückschaupflicht, unklare Verkehrslage und Geschwindigkeitsüberschreitung standen im Mittelpunkt.

Der Unfallhergang

Am 17.06.2018 kam es auf der Bundesstraße 4 zu einer Kollision. Ein Pkw-Fahrer wollte links abbiegen. Er setzte nach eigenen Angaben den Blinker und verringerte die Geschwindigkeit. Der Motorradfahrer hinter ihm setzte gleichzeitig zum Überholen an. Es kam zum Unfall.

Der Motorradfahrer wurde schwer verletzt. Er erlitt eine Sprengung des Schultergelenks (Rockwood 5) sowie Schürfwunden und eine Wundheilungsstörung. Seine Beweglichkeit ist dauerhaft eingeschränkt. Er kann den linken Arm nicht mehr über die Horizontalebene heben.

Streitpunkte vor Gericht

Der Pkw-Fahrer gab an, rechtzeitig geblinkt zu haben. Der Motorradfahrer bestritt dies. Er behauptete, der Blinker sei entweder gar nicht oder zu spät gesetzt worden. Unklar war auch, ob der Pkw-Fahrer die doppelte Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 StVO beachtet hatte.

Ein weiteres Thema war die Geschwindigkeit des Motorradfahrers. Die Beklagte behauptete, er sei mindestens 70 km/hschnell gewesen, obwohl nur 50 km/h erlaubt waren. Der Motorradfahrer räumte eine Überschreitung auf 55-60 km/hein, bestritt aber eine höhere Geschwindigkeit.

Das Landgericht entschied auf eine Haftungsverteilung von 80 % zu Lasten des Pkw-Fahrers und 20 % zu Lasten des Motorradfahrers. Diese Bewertung beruhte auf mehreren Faktoren.

Die rechtlichen Grundlagen

1. Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger

Ein Unfall beim Linksabbiegen spricht für ein Verschulden des Abbiegenden. Nach § 9 Abs. 1 StVO muss er sich vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Dazu gehört der Blick in den Spiegel und über die Schulter.

2. Überholen bei unklarer Verkehrslage

Laut § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO darf bei unklarer Verkehrslage nicht überholt werden. Ein langsamer werdendes Fahrzeug mit gesetztem Blinker kann eine solche Situation schaffen.

3. Geschwindigkeit des Motorradfahrers

Die Beklagte argumentierte, dass der Motorradfahrer durch seine Geschwindigkeit eine erhöhte Betriebsgefahrverursacht habe. Dies könnte zu einer höheren Haftungsquote für ihn führen.

Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Kiel entschied, dass 80 % der Haftung auf den Pkw-Fahrer entfallen. Der Motorradfahrer trägt ein 20%iges Mitverschulden. Entscheidende Punkte waren:

  • Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht des Pkw-Fahrers
  • Keine klare Beweislage für eine extreme Geschwindigkeitsüberschreitung
  • Unklare Verkehrslage, die das Überholen riskant machte

Der Motorradfahrer erhielt 35.000 € Schmerzensgeld, davon wurden bereits gezahlte 6.000 € angerechnet.

Berufung und Aufhebung des Urteils

Die Beklagte legte Berufung ein. Sie argumentierte, das Landgericht habe nicht alle Beweise berücksichtigt. Vor allem ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten fehlte. Dieses hätte die Geschwindigkeit des Motorrads klären können.

Das Oberlandesgericht sah dies als Verfahrensfehler. Es hob das Urteil auf und verwies den Fall zurück an das Landgericht Kiel. Im neuen Verfahren müssen folgende Fragen geklärt werden:

  • Wie schnell war das Motorrad tatsächlich?
  • Hätte der Motorradfahrer den Unfall bei 50 km/h vermeiden können?
  • Wurde der Blinker des Pkw frühzeitig gesetzt?
  • Welche Auswirkungen hat der Unfall auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers?

Fazit

Der Fall zeigt die Komplexität von Verkehrsunfällen:

  • Anscheinsbeweis spricht meist gegen den Linksabbieger.
  • Unklare Verkehrslage kann ein Mitverschulden des Überholenden begründen.
  • Geschwindigkeit beeinflusst die Haftungsverteilung.

Das Verfahren zeigt, wie wichtig eine gründliche Beweiserhebung ist. Das neue Urteil wird künftige Entscheidungen zu ähnlichen Unfällen beeinflussen.

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Thomas BrunowRechtsanwalt Thomas Brunow ist Ihr erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten – von der Schadenregulierung über Bußgeldverfahren bis hin zur Verteidigung in Verkehrsstrafsachen.

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Mithaftung trotz grüner Ampel?

Mithaftung

Mithaftung trotz grüner Ampel

Das Urteil des OLG Saarbrücken (Az. 4 U 291/22) ist ein wichtiger Leitfall für Unfälle im Kreuzungsbereich. Es stellt klar: Wer bei Grün in eine Kreuzung einfährt, darf nicht automatisch auf eine freie Durchfahrt vertrauen. Es kann eine Mithaftung in Betracht kommen. Besonders dann nicht, wenn die Sicht durch ein anderes Fahrzeug – etwa einen abbiegenden Lkw – eingeschränkt ist.

Das Gericht präzisiert damit die Rechtslage. Es legt zentrale Grundsätze für das Einfahren in Kreuzungen bei unklarer Verkehrssituation fest.


1. Grün bedeutet nicht automatisch freie Fahrt

Eine grüne Ampel erlaubt die Einfahrt in die Kreuzung. Doch sie bedeutet nicht, dass der Weg immer frei ist. Nachzügler aus einer vorherigen Grünphase oder Sichtbehinderungen können die Lage unübersichtlich machen.

Das OLG betont: Die Ampelfarbe allein ist kein Freibrief. Entscheidend ist die tatsächliche Verkehrssituation. Jeder Fahrer muss prüfen, ob eine sichere Durchfahrt möglich ist.


2. Sichtbehinderung erhöht die Sorgfaltspflicht und führt zur Mithaftung

Wird die Sicht auf den Kreuzungsbereich durch einen Lkw oder ein anderes großes Fahrzeug verdeckt, ist höchste Vorsicht geboten.

Ein Fahrer darf sich in solchen Situationen nicht nur auf die grüne Ampel verlassen. Er muss langsam in die Kreuzung einfahren und bremsbereit bleiben. Nur so kann er sicherstellen, dass sich keine anderen Fahrzeuge im Kreuzungsbereich befinden.


3. Nachzügler haben Vorrang

Fahrzeuge, die sich bereits in der Kreuzung befinden, haben Vorrang – auch wenn ihre Grünphase abgelaufen ist.

Ein Fahrer, der neu in die Kreuzung einfährt, muss dies beachten. Die Straßenverkehrsordnung (§ 1 Abs. 2 StVO) verlangt, dass kein Verkehrsteilnehmer durch unvorsichtiges Verhalten gefährdet wird.

Das bedeutet: Eine Kreuzung ist nicht automatisch frei, nur weil die Ampel grün zeigt. Es kann immer noch Verkehrsteilnehmer geben, die den Bereich verlassen müssen.


4. Mithaftung trotz Vorfahrtsrecht

Das OLG Saarbrücken stellte klar: Wer trotz Sichtbehinderung und ohne ausreichende Prüfung der Verkehrslage einfährt, kann eine Mitschuld tragen.

Im konkreten Fall hatte die Beklagte den Unfall durch ein riskantes Fahrmanöver verursacht. Doch auch der Kläger wurde nicht vollständig von der Haftung befreit. Das Gericht entschied, dass er fahrlässig handelte. Er hätte die Verkehrssituation besser prüfen müssen, bevor er die Kreuzung befuhr.

Das Urteil führte zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten der Beklagten. Es zeigt, dass Gerichte Verkehrsunfälle individuell bewerten und nicht automatisch eine Alleinhaftung annehmen.


Fazit: Wichtige Handlungsempfehlungen für Autofahrer

Das Urteil des OLG Saarbrücken (Az. 4 U 291/22) zeigt: Eine grüne Ampel entbindet nicht von der Pflicht zur vorausschauenden Fahrweise.

Was bedeutet das für Autofahrer?

Besondere Vorsicht bei eingeschränkter Sicht: Ist die Kreuzung nicht einsehbar, darf nicht ungebremst eingefahren werden.
Defensive Fahrweise: In unklaren Situationen muss mit Nachzüglern gerechnet werden.
Rücksicht auf bereits in der Kreuzung befindliche Fahrzeuge: Sie haben Vorrang.
Mithaftung vermeiden: Wer sich nicht an diese Grundsätze hält, riskiert eine Mitschuld – auch bei Grün.


Ihr Partner für Verkehrsrecht

Unsere Kanzlei ist auf Verkehrsrecht spezialisiert. Wir vertreten Mandanten in Unfallsachen, Haftungsfragen und Schadensersatzansprüchen.

Ob Sie eine vollständige Regulierung Ihres Schadens durchsetzen oder eine unberechtigte Haftungszuweisung abwehren möchten – wir stehen Ihnen mit Erfahrung und Expertise zur Seite.

Bei Verkehrsunfällen zählt eine gründliche rechtliche Prüfung. Die genaue Analyse der Beweislage und relevanter Gerichtsurteile kann über Haftung und Schadensersatz entscheiden.

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Ihr Ansprechpartner für Verkehrsrecht in Berlin – Rechtsanwalt Thomas Brunow

Thomas BrunowRechtsanwalt Thomas Brunow ist Ihr erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten – von der Schadenregulierung über Bußgeldverfahren bis hin zur Verteidigung in Verkehrsstrafsachen.

Dank seiner langjährigen Erfahrung und seiner Tätigkeit als Vertrauensanwalt des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandes genießt er großes Vertrauen in der Automobilbranche. Zudem ist er aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.

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Verteidigung in Verkehrsstrafsachen – Spezialisierung auf Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht, Nötigung und Körperverletzung im Straßenverkehr.
Verteidigung in Bußgeldverfahren – Umfassende Expertise bei Geschwindigkeitsverstößen, Rotlichtvergehen und Fahrtenbuchauflagen.

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Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn

vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung

Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn: Wichtige Urteile und Verteidigungsstrategien

Die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen, insbesondere in Baustellenbereichen, ist ein zentrales Anliegen der Verkehrssicherheit. Doch gerade hier geschehen viele Verstöße, oft mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Betroffenen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung, insbesondere bei einer Messung in einem Baustellenbereich, und zeigt Verteidigungsstrategien auf.

Das aktuelle Urteil des Oberlandesgerichts München (Az. 202 ObOWi 1234/24) zeigt, wie schnell aus einer vermeintlich fahrlässigen Tat eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung wird. Dies hat erhebliche Konsequenzen für den Betroffenen. Die Entscheidung betont zudem, dass sich Fahrer in Baustellenbereichen besonders aufmerksam verhalten müssen, da Gerichte in solchen Fällen oft streng urteilen.

1. Wann liegt eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung vor?

Ein vorsätzlich begangener Geschwindigkeitsverstoß liegt vor, wenn der Fahrer sich der geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung bewusst war, sie jedoch nicht beachtet hat. In Baustellenbereichen werden die zulässigen Geschwindigkeiten häufig in einem sogenannten „Geschwindigkeitstrichter“ sukzessive reduziert. Dadurch hat der Fahrer mehrere Hinweise auf die Begrenzung.

Das Gericht geht dann von Vorsatz aus, wenn der Betroffene diese mehrfachen Verkehrszeichen passiert hat. Eine hohe Überschreitung der Geschwindigkeit ist oft ein starkes Indiz dafür, dass die Begrenzung bewusst missachtet wurde. Gerichte argumentieren in solchen Fällen, dass es unwahrscheinlich sei, dass ein Fahrer wiederholt aufgestellte Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht bemerkt.

2. Entscheidung des Gerichts: Verschärfung von fahrlässig auf vorsätzlich

In einem aktuellen Fall hatte das Amtsgericht den Betroffenen zunächst wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung um 90 km/h zu einer Geldbuße von 1.400 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte eine Korrektur des Urteils, da von einem vorsätzlichen Verstoß auszugehen sei. Das Oberlandesgericht München korrigierte daraufhin die Entscheidung und stellte fest: Der Betroffene hat vorsätzlich gehandelt. Die Folge: Verdopplung der Geldbuße auf 2.800 Euro.

Das Gericht führte aus, dass es sich um eine gut erkennbare Baustelle handelte, in der die Geschwindigkeitsbegrenzung mehrfach angekündigt wurde. Der Fahrer hätte die Zeichen sehen müssen, daher wurde Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Besonders im Baustellenbereich gehen Gerichte oft von Vorsatz aus, da hier hohe Unfallgefahr besteht und die Verkehrsschilder meist verstärkt aufgestellt werden.

3. Verteidigungsstrategien gegen den Vorwurf des Vorsatzes

Obwohl Gerichte bei hohen Überschreitungen oft Vorsatz annehmen, gibt es dennoch effektive Verteidigungsansätze:

  • Fehlende Sichtbarkeit der Verkehrszeichen: Falls Verkehrszeichen durch LKWs, Bäume oder andere Hindernisse verdeckt waren, kann dies gegen eine bewusste Missachtung sprechen.
  • Falsche oder unklare Beschilderung: Falls die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht eindeutig war oder ein Geschwindigkeitstrichter unvollständig ausgeschildert wurde, könnte dies als Argument gegen Vorsatz herangezogen werden.
  • Unzureichende gerichtliche Erörterung: Falls das Gericht die Möglichkeit, dass der Fahrer die Schilder übersehen hat, nicht ausreichend erörtert, kann dies ein Anhaltspunkt für eine erfolgreiche Revision sein.
  • Fehlende Identifikation des Fahrers: Falls Zweifel bestehen, ob der Fahrer tatsächlich der Betroffene ist, kann die Fahrereigenschaft bestritten werden.

Wichtig ist, dass eine wirksame Verteidigung frühzeitig beginnt. Sobald ein Bußgeldbescheid zugestellt wurde, sollte ein erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht die Erfolgschancen einer Anfechtung prüfen.

4. Folgen eines Urteils wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung

Die Entscheidung des Gerichts kann schwerwiegende Konsequenzen haben:

  • Höhere Geldbuße: Eine Verdopplung der Bußgeldhöhe ist die Regel.
  • Fahrverbot: Bei hohen Überschreitungen droht ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten.
  • Eintrag im Fahreignungsregister: Punkte in Flensburg sind eine direkte Folge.
  • Probleme mit der Versicherung: Manche Versicherungen könnten eine vorsätzliche Verkehrsordnungswidrigkeit als Anlass nehmen, Leistungen zu kürzen oder zu verweigern.
  • Auswirkungen auf den Führerschein: Wer wiederholt vorsätzlich gegen Verkehrsregeln verstößt, kann als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs eingestuft werden, was im schlimmsten Fall zum Entzug der Fahrerlaubnis führt.

Ein vorsätzlicher Geschwindigkeitsverstoß kann auch negative Auswirkungen auf die Probezeit von Fahranfängern oder auf berufliche Fahrer haben. In manchen Fällen können Arbeitgeber Konsequenzen ziehen, wenn ein Fahrer wegen grober Verstöße ein Fahrverbot erhält.

5. Fazit: Bei Geschwindigkeitsverstoß in Baustellenbereichen ist Vorsicht geboten

Wer auf der Autobahn eine Geschwindigkeitsbegrenzung ignoriert, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Besonders in Baustellenbereichen, wo Geschwindigkeitsbegrenzungen oft stufenweise herabgesetzt werden, gehen Gerichte schnell von Vorsatz aus.

Baustellen sind hochsensible Verkehrsbereiche, in denen oft Arbeiter direkt neben der Fahrbahn tätig sind. Die Vorschriften dienen also nicht nur der Verkehrsregelung, sondern auch dem Schutz von Menschenleben. Eine Missachtung kann daher nicht nur juristische, sondern auch moralische Folgen haben.

Für Betroffene ist es daher entscheidend, frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann prüfen, ob eine Verteidigung gegen den Vorwurf des Vorsatzes möglich ist. Gerade wenn es um hohe Bußgelder oder ein Fahrverbot geht, lohnt es sich, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Falls Sie mit einem entsprechenden Bußgeldbescheid oder Fahrverbot konfrontiert sind, nehmen Sie umgehend Kontakt zu uns auf. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte für Verkehrsrecht prüfen Ihren Fall sorgfältig und setzen sich für Ihre Rechte ein. Wir analysieren Ihre Situation genau und erarbeiten die bestmögliche Verteidigungsstrategie, um Ihnen eine unnötige Bestrafung zu ersparen.

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Thomas BrunowRechtsanwalt Thomas Brunow ist Ihr erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten – von der Schadenregulierung über Bußgeldverfahren bis hin zur Verteidigung in Verkehrsstrafsachen.

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Mietwagen-Unfall: Warum grobe Fahrlässigkeit zur Haftung führt

Verkehrsunfall Anscheinsbeweis

Grobe Fahrlässigkeit auf der linken Spur: OLG Nürnberg füllt Lücke im Mietwagen – Recht

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit seinem Urteil (Az.: 13 U 1296/17) eine weitreichende Entscheidung getroffen, die Mietwagen – Nutzer und Autovermieter gleichermaßen betrifft. Im Kern geht es um die Frage: Kann eine vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung entfallen, wenn sich der Fahrer grob fahrlässig verhält? Die Antwort des Gerichts ist eindeutig – ja: Und zwar insbesondere dann, wenn der Fahrer durch eigenes Fehlverhalten das Unfallrisiko erheblich erhöht hat.

Der Fall: Ein Moment der Ablenkung mit teuren Konsequenzen

Folgender Sachverhalt: Der Beklagte fuhr am 19. April 2015 mit einem hochmotorisierten Mietwagen, einem Mercedes-Benz CLS 63 AMG, auf der Autobahn. Während der Fahrt bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs, um Informationen abzurufen. In dieser Situation verlor er die Kontrolle über das Auto, geriet auf der linken Spur von der Fahrbahn ab und kollidierte mit der Mittelleitplanke.

Die Autovermietung, die das Fahrzeug an den Mieter (nicht den Beklagten) vermietet hatte, forderte daraufhin Schadenersatz in Höhe von 50 % des gesamten Schadens. Der Beklagte argumentierte jedoch, dass er lediglich 130 km/h gefahren sei und zudem durch die im Mietvertrag enthaltene Haftungsfreistellung geschützt sei. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass es sich um ein grob fahrlässiges Verhalten gehandelt habe. Dies hebe die vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung auf.

Das Urteil des OLG Nürnberg: Grobe Fahrlässigkeit kostet Schutz der Haftungsfreistellung

Das Oberlandesgericht Nürnberg folgte der Argumentation der Klägerin und stellte fest, dass der Beklagte mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h unterwegs war. Die Bedienung des Infotainmentsystems während der Fahrt führte dazu, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Besonders schwer wog aus Sicht des Gerichts, dass sich der Beklagte in einem ihm nicht vertrauten Fahrzeug befand und dennoch seine Aufmerksamkeit nicht auf das Fahrgeschehen, sondern auf den Bordcomputer richtete.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung zwar grundsätzlich gilt, jedoch durch grob fahrlässiges Verhalten eingeschränkt wird. Die Klausel, die eine anteilige Haftung in solchen Fällen vorsieht, wurde als wirksam erachtet. Der Beklagte wurde daher verpflichtet, 50 % des entstandenen Schadens zu zahlen.

Warum dieses Urteil richtungsweisend ist

Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen und sollte von allen Verkehrsteilnehmern, insbesondere Mietwagen-Nutzern, genau beachtet werden. Es bringt Klarheit in verschiedene wichtige Punkte:

  1. Mietwagenfahrer haften trotz Haftungsfreistellung bei grober Fahrlässigkeit: Eine Mietwagen-Haftungsfreistellung schützt nicht unbegrenzt. Wenn der Fahrer grob fahrlässig handelt – etwa durch Ablenkung bei hoher Geschwindigkeit – kann er dennoch zur Kasse gebeten werden.
  2. Hohe Geschwindigkeiten erfordern erhöhte Sorgfalt: Das Urteil macht deutlich, dass das Fahren mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h besondere Aufmerksamkeit erfordert. Wer sich in solchen Situationen ablenken lässt, handelt nicht nur fahrlässig, sondern grob fahrlässig.
  3. Relevanz für Versicherungen und Autovermieter: Die Entscheidung des Gerichts orientiert sich an den Grundsätzen der Vollkaskoversicherung. Die übliche Klausel zur Haftungsreduzierung in Mietverträgen wird nur dann anerkannt, wenn sie sich am Prinzip der anteiligen Haftung bei grober Fahrlässigkeit ausrichtet.

Die rechtlichen Konsequenzen für Autofahrer und Autovermieter

Dieses Urteil hat für die Praxis erhebliche Bedeutung. Sowohl für Autovermieter als auch für Fahrzeugmieter und berechtigte Fahrer. Wer einen Mietwagen fährt, sollte sich bewusst sein, dass die Haftungsfreistellung kein Freibrief für riskantes Fahrverhalten ist. Grob fahrlässiges Verhalten – insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten oder Ablenkung – kann dazu führen, dass eine anteilige Haftung für Schäden verbleibt.

Für Autovermieter ergibt sich aus diesem Urteil ebenfalls eine wichtige Erkenntnis: Die vertraglichen Regelungen zur Haftungsfreistellung sollten sorgfältig formuliert sein und ausdrücklich auf eine Reduzierung der Haftungsfreistellung bei grober Fahrlässigkeit hinweisen. Andernfalls könnte eine vollständige Haftungsbefreiung des Mieters oder Fahrers riskiert werden, was im Schadensfall erhebliche finanzielle Verluste bedeuten könnte.

Fazit: Augen auf im Mietwagen – Haftung kann trotz Versicherung bestehen

Das Urteil des OLG Nürnberg verdeutlicht, dass die Nutzung eines Mietwagens mit besonderer Verantwortung einhergeht. Wer sich hinter das Steuer eines hochmotorisierten Fahrzeugs setzt, sollte sich bewusst sein, dass vertragliche Haftungsfreistellungen Grenzen haben. Die Entscheidung bestätigt, dass grob fahrlässiges Verhalten – insbesondere durch Ablenkung während der Fahrt – erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann.

Mietwagen-Nutzer sollten sich nicht nur auf die vertraglichen Regelungen verlassen. Sie müssen stets besonders umsichtig fahren. Wer sich während der Fahrt auf das Infotainmentsystem konzentriert, verliert leicht die Kontrolle. Das kann teuer werden. Es gefährdet nicht nur das eigene Leben, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer. Die Botschaft des Urteils ist klar: Sicherheit und volle Aufmerksamkeit haben oberste Priorität.

Fahrverbot nach langer Verfahrensdauer – Wann kann es entfallen?

Fahrverbot

Fahrverbot nach langer Verfahrensdauer – Wann kann es entfallen?

Das Fahrverbot stellt eine der einschneidendsten Sanktionen im Verkehrsrecht dar. Es soll Verkehrsteilnehmer sensibilisieren und durch eine spürbare Einschränkung eine erzieherische Wirkung entfalten. Doch wie verhält es sich, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der gerichtlichen Entscheidung mehrere Jahre vergangen sind?

Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 20.01.2025, ORbs 24 SsBs 192/24)auseinandersetzen. Es kam zu dem Ergebnis, dass ein Fahrverbot seinen eigentlichen Zweck verfehlen kann, wenn eine überlange Verfahrensdauer vorliegt und der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat.

Das Fahrverbot als Denkzettel – eine Maßnahme mit zeitlicher Grenze

Nach § 25 Abs. 1 StVG ist das Verbot als erzieherische Maßnahme ausgestaltet. Es soll betroffene Fahrer dazu anhalten, ihr zukünftiges Verhalten im Straßenverkehr zu überdenken.

Die Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass diese Erziehungsfunktion mit zunehmendem Zeitablauf ihre Legitimation verlieren kann. Insbesondere dann, wenn:

  • Seit der Tat mehr als zwei Jahre vergangen sind,
  • die lange Verfahrensdauer nicht durch den Betroffenen verschuldet wurde,
  • in der Zwischenzeit keine weiteren Verkehrsverstöße begangen wurden.

Diese Grundsätze wurden bereits in mehreren obergerichtlichen Entscheidungen anerkannt (u. a. OLG Saarbrücken, NJOZ 2014, 1545 ff.).

Die Entscheidung des OLG Dresden: Fahrverbot aufgehoben nach drei Jahren Verfahrensdauer

In dem entschiedenen Fall hatte das Amtsgericht ursprünglich ein Fahrverbot verhängt. Der Betroffene legte jedoch Rechtsbeschwerde ein. Das Oberlandesgericht Dresden entschied, dass das Fahrverbot nicht mehr gerechtfertigt sei, da zwischen dem Verkehrsverstoß und der Entscheidung mehr als drei Jahre lagen.

Besonders ausschlaggebend war:

  • 1 Jahr und 4 Monate des Zeitablaufs entfielen auf die Zeit nach der erstinstanzlichen Entscheidung.
  • Der Betroffene hatte sich in dieser Zeit verkehrsgerecht verhalten.
  • Die Verzögerung war nicht auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen.

Das Gericht stellte fest, dass unter diesen Umständen das Fahrverbot seinen ursprünglichen Zweck – die erzieherische Wirkung – nicht mehr erfüllen könne.

Rechtsschutz bei langen Verfahrensdauern

Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Rechtsstaatsprinzips und ergibt sich aus Artikel 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip. Dazu gehört auch das Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Zeit.

Verzögerungen im Bußgeldverfahren können nicht nur zur Aufhebung eines Verbots führen, sondern in bestimmten Fällen sogar eine Milderung der Geldbuße oder eine Verfahrenseinstellung begründen.

Auch wenn die Verzögerung nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetreten ist, kann das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen eingreifen, falls der Betroffene aufgrund der verspäteten Entscheidung unverhältnismäßig benachteiligtwürde.

Welche Möglichkeiten bestehen, um gegen ein drohendes Fahrverbot vorzugehen?

Betroffene, die sich mit einem drohenden Fahrverbot konfrontiert sehen, sollten prüfen lassen, ob eine unangemessen lange Verfahrensdauer vorliegt. Insbesondere wenn:

  • der Verkehrsverstoß mehr als zwei Jahre zurückliegt,
  • das Verfahren sich ohne eigenes Zutun verzögert hat,
  • keine weiteren Verkehrsverstöße hinzugekommen sind,
  • die persönlichen oder beruflichen Umstände besonders nachteilig betroffen wären.

In vielen Fällen lassen sich auf dieser Grundlage erfolgversprechende Verteidigungsstrategien entwickeln.

Fazit: Eine lange Verfahrensdauer kann das Fahrverbot entfallen lassen

Die Entscheidung des OLG Dresden verdeutlicht, dass ein Fahrverbot nicht mehr zwangsläufig verhängt werden muss, wenn der zu ahndende Verkehrsverstoß bereits lange zurückliegt. Maßgeblich ist hierbei die Zeitspanne bis zur letzten tatrichterlichen Entscheidung.

Betroffene sollten daher nicht vorschnell ein Fahrverbot hinnehmen, sondern prüfen lassen, ob es aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer entfallen kann.

Falls Sie mit einem drohenden Fahrverbot konfrontiert sind, beraten wir Sie gerne zu den Erfolgsaussichten einer Verteidigung.

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Unfall beim Türöffnen – Haftung

Türöffnen

Unfall beim Türöffnen: Wer haftet bei einer Kollision mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug?

Beim Ein- und Aussteigen aus einem Fahrzeug gelten strenge Sorgfaltspflichten. Besonders heikel ist die Situation in verkehrsberuhigten Bereichen oder engen Straßen mit parkenden Autos. Doch was passiert, wenn es zur Kollision kommt? Trägt der aussteigende Fahrgast oder das vorbeifahrende Fahrzeug die Schuld?

Das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 11.02.2022 – 13 S 135/21) hat sich mit genau diesem Szenario befasst und klargestellt: Die Sorgfaltspflichten des Aussteigenden überwiegen, selbst wenn das vorbeifahrende Fahrzeug zu schnell war.

1. Der Fall: Unfall in einer verkehrsberuhigten Zone

Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrzeug auf einer als verkehrsberuhigter Bereich (§ 42 StVO, Zeichen 325.1 und 325.2) ausgewiesenen Einbahnstraße. Links parkten Fahrzeuge, während auf der rechten Seite ein Taxi hielt. Der Erstbeklagte, ein Fahrgast, öffnete plötzlich die hintere linke Tür, um auszusteigen. In diesem Moment kam es zur Kollision mit dem vorbeifahrenden Auto der Klägerin.

Die Klägerin forderte Schadensersatz, da sie der Ansicht war, der Fahrgast habe die Tür ohne Rücksicht auf den fließenden Verkehr geöffnet. Die Beklagten argumentierten jedoch, dass das Taxi ausreichend Platz zum sicheren Vorbeifahren gelassen habe und die Klägerin mit massiv überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei.

Das Amtsgericht Merzig hatte zunächst eine Alleinhaftung der Beklagten angenommen. Dagegen richtete sich die Berufung, über die das LG Saarbrücken entschied.

2. Die Entscheidung des LG Saarbrücken

Das Gericht stellte klar, dass sich die Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen in einem verkehrsberuhigten Bereich aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO und dem Rechtsgedanken des § 14 Abs. 1 StVO ergeben.

Die wesentlichen Punkte des Urteils:

✅ Wer eine Fahrzeugtür öffnet, muss sicherstellen, dass dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird.
✅ In verkehrsberuhigten Zonen gelten für alle Beteiligten besondere Sorgfaltspflichten.
✅ Eine Geschwindigkeitsüberschreitung des vorbeifahrenden Fahrzeugs lässt die Betriebsgefahr nicht vollständig entfallen.

Das Gericht entschied, dass der Erstbeklagte die Tür ungeachtet der Verkehrslage weit geöffnet hatte und dabei nicht den rückwärtigen Verkehr beachtet hatte. Gleichzeitig stellte das Gericht jedoch fest, dass die Klägerin mit 20 km/h statt der zulässigen 7 km/h unterwegs war.

3. Die Haftungsverteilung:

Die Klägerin erhielt nur 75 % des geltend gemachten Schadensersatzes, da die überhöhte Geschwindigkeit eine Mitverursachung begründete. Die Beklagten hafteten für die restlichen 75 %, weil die Türöffnung ohne ausreichende Rückschau und Sorgfalt erfolgte.

4. Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis?

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Fahrzeuginsassen beim Ein- und Aussteigen eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft. Wer eine Fahrzeugtür öffnet, muss sich immer vergewissern, dass sich kein anderes Fahrzeug nähert. Gleichzeitig unterstreicht das Gericht, dass auch der fließende Verkehr in verkehrsberuhigten Bereichen besondere Rücksicht walten lassen muss.

Wichtige Lehren aus dem Urteil:

🔹 Fahrgäste und Fahrer müssen sich vor dem Öffnen der Tür umfassend vergewissern, dass keine Gefahr für andere besteht.
🔹 Autofahrer sollten bei parkenden Fahrzeugen immer mit plötzlich öffnenden Türen rechnen und die Geschwindigkeit anpassen.
🔹 Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann die Haftung beeinflussen, führt aber nicht automatisch zu einer Alleinhaftung des Fahrers.

5. Fazit: Wer eine Autotür öffnet, trägt eine hohe Verantwortung

Das LG Saarbrücken (Urteil vom 11.02.2022 – 13 S 135/21) hat klargestellt, dass die Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen sehr hoch sind. Selbst wenn das vorbeifahrende Fahrzeug zu schnell unterwegs ist, bleibt die Hauptverantwortung beim Türöffnenden.

Sind Sie in eine ähnliche Verkehrssituation geraten? Haben Sie Fragen zur Haftung bei einem Unfall mit einer plötzlich geöffneten Fahrzeugtür? Kontaktieren Sie unsere Kanzlei für eine umfassende Beratung im Verkehrsrecht.

Parkplatzunfall und „rechts vor links“

Parkplatzunfall

Parkplatzunfall und „rechts vor links“: Aktuelle Rechtsprechung von OLG Frankfurt und BGH

Der Parkplatzunfall: Wenn es auf Parkplätzen zu Unfällen kommt, steht oft die Frage im Raum, ob die allgemeine Vorfahrtsregel „rechts vor links“ (§ 8 Abs. 1 StVO) gilt. Gerade weil Parkplätze in der Regel dem Such- und Rangierverkehr dienen, sind die Gerichte hier eher vorsichtig. Zwei aktuelle Entscheidungen – eine des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 22. Juni 2022 (Az. 17 U 21/22) und eine des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. November 2022 (Az. VI ZR 344/21) – liefern wichtige Klarstellungen.


1. Grundsatz: Gilt die StVO auf Parkplätzen?

Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) findet grundsätzlich auch auf öffentlich zugänglichen Parkflächen Anwendung. Allerdings bedeutet dies nicht automatisch, dass alle Regeln des fließenden Verkehrs – etwa „rechts vor links“ – dort uneingeschränkt gelten.

Weshalb?
Parkplätze unterscheiden sich von normalen Straßen, weil sie meist nicht allein dem zügigen Durchgangsverkehr dienen. Vielmehr wird dort geparkt, rangiert und in geringer Geschwindigkeit gefahren. Zudem ist die Aufmerksamkeit der Fahrer*innen oft auf die Suche nach freien Stellplätzen gerichtet. Deshalb stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen einzelne Vorschriften der StVO tatsächlich Anwendung finden.


2. BGH (VI ZR 344/21): Beim Parkplatzunfall keine automatische „rechts vor links“-Regelung

Der BGH hat sich am 22. November 2022 (Az. VI ZR 344/21) in einem Fall zu einem Parkplatzunfall auf einem Baumarktparkplatz geäußert. Dort stießen zwei Fahrzeuge in einem Kreuzungsbereich von Fahrgassen zusammen. Ein Sattelzug behinderte zusätzlich die Sicht. Der Kläger war der Ansicht, dass der Beklagte sich an „rechts vor links“ hätte halten müssen.

Klare Aussage des BGH

„Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO (‘rechts vor links’) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.“

Damit unterstreicht der BGH, dass ein Parkplatz grundsätzlich anders zu bewerten ist als eine typische Straßenkreuzung. Auf normal markierten, eher schmalen Fahrspuren zwischen den Parkboxen gilt also vorrangig das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 StVO. Nur wenn es sich ausnahmsweise um eine deutlich ausgebaute „Hauptachse“ mit klaren Straßenmerkmalen handelt, kann die Vorfahrtsregel greifen.


3. OLG Frankfurt (Az. 17 U 21/22): Keine eindeutige Haupt- und Nebenstraße

Auch das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 22. Juni 2022 (Az. 17 U 21/22) einen ähnlich gelagerten Fall mit einem Parkplatzunfall beurteilt. Zwei Fahrzeuge kollidierten auf dem Parkplatz eines Baumarkts, nachdem der eine Fahrer davon ausging, eine „Hauptstraße“ zu befahren und somit vorfahrtberechtigt zu sein.

Das Gericht entschied jedoch:

  • Auf einem Parkplatz, dessen Fahrspuren keine klaren Bordsteine, Gehwege oder eine eindeutige Markierung als Fahrbahn aufweisen, kann man nicht automatisch von einer über- bzw. untergeordneten Straße sprechen.
  • Insbesondere wenn die Fahrspuren beidseitig von Parkbuchten gesäumt sind und dem Suchverkehr dienen, fehlt der „Straßencharakter“.
  • Folglich gilt auch hier vor allem § 1 StVO: vorsichtige und defensive Fahrweise, gegenseitige Rücksichtnahme und gegebenenfalls Verständigung, wer wann fährt.

Daher musste am Ende bei diesem Parkplatzunfall jeder Unfallbeteiligte für einen Teil des Schadens einstehen (Quotenhaftung).


4. Praktische Konsequenzen für Verkehrsteilnehmer*innen

  1. Rücksichtnahme statt blindes Vertrauen
    Wer auf einem Parkplatz unterwegs ist, kann sich nicht ohne Weiteres auf „rechts vor links“ berufen. Es ist vielmehr besondere Vorsicht geboten, da andere Fahrer*innen eventuell rangieren oder abgelenkt sein könnten.
  2. Bauliche Merkmale genau prüfen
    Nur wenn eine Fahrbahn eindeutig als solche erkennbar ist, mit ausreichender Breite, klarer Markierung und sichtbarer Abtrennung zu den Parkbuchten, kann im Einzelfall eine Vorfahrtsregel Anwendung finden.
  3. Verkehr beobachten und verständigen
    Gerade bei schlechter Sicht (z.B. durch parkende Lkws oder Lieferfahrzeuge) empfiehlt es sich, das eigene Tempo deutlich zu drosseln, den Gegenverkehr zu beobachten und gegebenenfalls ein Handzeichen zur Verständigung zu geben.
  4. Haftung aufteilen
    Kommt es bei einem Parkplatzunfall zum Zusammenstoß, entscheiden die Gerichte häufig eine Quotenhaftung. Wer zu schnell unterwegs war oder sich nicht hinreichend vorsichtig verhalten hat, muss mit einer Mitschuld rechnen.

5. Fazit

Die aktuelle Rechtsprechung des BGH (VI ZR 344/21) und des OLG Frankfurt (17 U 21/22) zum Parkplatzunfall macht deutlich: Auf Parkplätzen ist „rechts vor links“ längst nicht immer das Maß aller Dinge. Entscheidend ist, ob eine Fahrgasse tatsächlich Straßencharakter hat oder vorwiegend dem Such- und Rangierverkehr dient. Oftmals müssen sich die Beteiligten verständigen und besonders vorsichtig verhalten, um Kollisionen zu vermeiden.

Merke: Wer auf einem Parkplatz unterwegs ist, sollte stets bremsbereit sein und darauf achten, dass andere Verkehrsteilnehmer*innen möglicherweise keine Vorfahrtsregeln anwenden (können). Letztlich ist der Grundsatz von § 1 StVO – das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme – hier wichtiger als jede starre Regel.

Linksabbieger-Unfall: Haftung?

Linksabbieger

Unfallschadenregulierung nach einem Linksabbieger-Unfall: Mithaftungsquote bei unklarer Verkehrslage

Ein Linksabbieger-Unfall ist eine der häufigsten Unfallkonstellationen im Straßenverkehr. Besonders in unklaren Verkehrslagen kommt es oft zu Kollisionen, bei denen die Haftungsfrage sorgfältig geprüft werden muss. Ein aktuelles Urteil zeigt, dass auch beim Überholen eines blinkenden Traktors besondere Vorsicht geboten ist.

Linksabbieger: Traktor blinkt – Überholen in unklarer Verkehrslage unzulässig

In dem verhandelten Fall fuhr der Kläger mit einem Motorroller auf einer Landstraße hinter einem Traktorgespann. Dieses blinkte nach links, um in eine schwer erkennbare Hofeinfahrt einzubiegen. Der Kläger setzte zum Überholen an, woraufhin es zur Kollision kam. Besonders strittig war die Frage, ob der Traktor tatsächlich den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte.

Das Gericht stellte klar:

  • Ein nach links blinkender Traktor kann jederzeit kurzfristig abbiegen, selbst wenn er sich nicht nach links eingeordnet hat.
  • Aufgrund der Breite eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs ist das Einordnen häufig nicht möglich.
  • Wer dennoch in dieser Situation überholt, handelt in einer unklaren Verkehrslage und trägt eine Mithaftung.

Das Landgericht erkannte eine Mithaftungsquote von 50 %, weil der Traktorfahrer zwar nicht in vollem Umfang seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen war, der Motorrollerfahrer jedoch fahrlässig in einer unklaren Verkehrslage überholt hatte.

Mithaftungsquote und Schadenersatz bei einem Linksabbieger-Unfall

Bei der Ermittlung der Mithaftungsquote kommt es auf eine genaue Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge an. In diesem Fall war entscheidend:

  • Pflicht zur doppelten Rückschau: Der Traktorfahrer hätte sich vor dem Abbiegen nochmals vergewissern müssen, dass kein Fahrzeug überholt.
  • Überholen in unklarer Verkehrslage: Der Rollerfahrer hätte das blinkende Traktorgespann nicht überholen dürfen.
  • Betriebsgefahr der Fahrzeuge: Ein schweres landwirtschaftliches Fahrzeug birgt eine höhere Betriebsgefahr als ein Motorroller.

Das Gericht entschied sich für eine hälftige Schadensteilung, sodass beide Parteien für jeweils 50 % des Schadens haften.

Unklare Verkehrslage: Ein typisches Problem bei Linksabbieger-Unfällen

Laut § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist das Überholen in einer unklaren Verkehrslage unzulässig. Eine unklare Verkehrslage liegt insbesondere dann vor, wenn:

  • Ein vorausfahrendes Fahrzeug verlangsamt und unklar ist, ob es abbiegt.
  • Das vorausfahrende Fahrzeug blinkt, aber sich noch nicht eindeutig nach links eingeordnet hat.
  • Die Sicht auf eine mögliche Einfahrt oder Abzweigung eingeschränkt ist.

Dieses Urteil zeigt, dass die Gerichte eine hohe Sorgfaltspflicht für Verkehrsteilnehmer anlegen. Wer trotz Blinkens eines Fahrzeugs überholt, muss mit einer Mithaftung rechnen.

Vorgerichtliche Anwaltskosten für Kaskoversicherung nicht erstattungsfähig

Ein weiteres wichtiges Thema des Urteils war die Frage, ob vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung erstattungsfähig sind. Das Gericht entschied:

  • Anwaltskosten für die Regulierung über die Kaskoversicherung sind nur erstattungsfähig, wenn die Beauftragung erforderlich und zweckmäßig war.
  • Allein die Tatsache, dass später ein Quotenvorrecht berücksichtigt werden muss, reicht nicht aus, um die Notwendigkeit einer frühzeitigen anwaltlichen Vertretung zu begründen.

Fazit: Rechtslage bei Linksabbieger-Unfällen beachten

Wer im Straßenverkehr ein abbiegendes oder blinkendes Fahrzeug überholen will, muss sich der unklaren Verkehrslagebewusst sein. Andernfalls droht eine Mithaftung. Auch bei der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung sollten Versicherungsnehmer bedenken, dass Anwaltskosten nicht immer erstattungsfähig sind.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie kompetent bei der Unfallschadenregulierung, der Durchsetzung Ihrer Ansprüche und der richtigen Bewertung Ihrer Mithaftungsquote.

Praktische Tipps zur Vermeidung von Linksabbieger-Unfällen

  1. Vorausschauend fahren: Insbesondere auf Landstraßen sollten Sie frühzeitig auf Blinker und Fahrverhalten vorausfahrender Fahrzeuge achten.
  2. Sicherheitsabstand einhalten: Halten Sie ausreichend Abstand zu langsam fahrenden Fahrzeugen, um deren Fahrmanöver besser einschätzen zu können.
  3. Überholen nur bei klarer Verkehrslage: Ein Linksabbieger kann jederzeit abbiegen – vermeiden Sie Überholmanöver, wenn Unsicherheit besteht.
  4. Auf landwirtschaftliche Fahrzeuge besonders achten: Traktoren oder landwirtschaftliche Maschinen haben oft eingeschränkte Sicht – rechnen Sie damit, dass diese auch ohne erkennbares Einordnen abbiegen könnten.
  5. Defensive Fahrweise: Selbst wenn ein Fahrzeug blinkt, bedeutet das nicht immer, dass der Fahrer die Situation überblickt. Seien Sie besonders vorsichtig, wenn eine Einfahrt oder eine Abbiegemöglichkeit erkennbar ist.

Mit diesen Maßnahmen lassen sich viele Unfälle vermeiden und rechtliche Auseinandersetzungen minimieren. Im Schadensfall stehen wir Ihnen mit unserer Erfahrung in der Unfallschadenregulierung zur Seite.

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