Glättewarnung und Wintereinbruch – Unfall ohne Winterreifen: Was Sie wissen sollten
Ihre Rechte und Pflichten bei Glätte, Schnee und falscher Bereifung
Der Winter kann Autofahrer plötzlich und unerwartet treffen. Während mancherorts die Sonne scheint, sorgen Glatteis, Schnee und Matsch anderswo für gefährliche Straßenverhältnisse. Wer in solchen Situationen mit Sommerreifen unterwegs ist, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch den Verlust seines Versicherungsschutzes. Was Autofahrer in puncto Winterreifenpflicht, Glättewarnung, Haftung bei Unfällen und Versicherungsschutz beachten müssen, erfahren Sie hier.
Winterreifenpflicht in Deutschland: Situativ statt starr
In Deutschland gilt keine starre Winterreifenpflicht. Die Straßenverkehrsordnung (§ 2 Abs. 3a StVO) schreibt eine situative Regelung vor: Fahrzeuge dürfen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur mit wintertauglichen Reifen gefahren werden.
Als wintertauglich gelten:
- Winterreifen mit dem Alpine-Symbol (Schneeflocke im Bergpiktogramm).
- Ganzjahresreifen, sofern sie das Alpine-Symbol tragen.
- Ältere M+S-Reifen (Matsch und Schnee), die vor dem 1. Januar 2018 produziert wurden. Diese sind noch bis 30. September 2024 zugelassen.
Glättewarnung beachten: Was ist der Witterung angemessen?
Die situative Winterreifenpflicht bedeutet, dass die Bereifung „der Witterung angemessen“ sein muss. Eine Glättewarnung sollte Autofahrer daher immer ernst nehmen, da sie ein klarer Hinweis auf winterliche Straßenverhältnisse ist. Solche Warnungen machen deutlich, dass Fahrzeuge nur mit Reifen unterwegs sein sollten, die:
- Bessere Fahreigenschaften bei Schnee und Eis bieten.
- Eine Profiltiefe von mindestens 1,6 mm haben (empfohlen: 4 mm).
Auch wenn die Straße bei Glättewarnung trocken erscheint, sind Sommerreifen häufig ungeeignet. Die Verwendung falscher Reifen erhöht nicht nur das Unfallrisiko, sondern kann auch Versicherungsprobleme mit sich bringen.
Ganzjahresreifen: Eine Alternative?
Ganzjahresreifen sind ein Kompromiss zwischen Sommer- und Winterreifen und bieten Vorteile für Gelegenheitsfahrer oder Städter. Sie eignen sich besonders für Regionen mit milden Wintern. Allerdings:
- Neu produzierte Ganzjahresreifen müssen das Alpine-Symbol tragen.
- Ältere M+S-Reifen dürfen nur noch bis Ende September 2024 verwendet werden.
Fehlen die vorgeschriebenen Kennzeichnungen, riskieren Sie Bußgelder und möglicherweise den Verlust Ihres Versicherungsschutzes. Eine Glättewarnung kann zudem zum Maßstab dafür werden, ob der Einsatz von Ganzjahresreifen noch angemessen ist.
Bußgelder bei falscher Bereifung
Wer bei winterlichen Straßenverhältnissen ohne geeignete Reifen unterwegs ist, muss mit empfindlichen Strafen rechnen:
- 60 € Bußgeld und 1 Punkt in Flensburg für falsche Bereifung.
- 80 € bei Verkehrsbehinderung.
- 100 € bei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.
- 120 € bei einem Unfall.
Achtung: Fahrzeughalter können ebenfalls belangt werden, wenn sie die Inbetriebnahme eines Kfz mit unzulässiger Bereifung zulassen – mit 75 € Bußgeld und 1 Punkt.
Grobe Fahrlässigkeit: Wann zahlt die Versicherung nicht?
Wenn ein Unfall bei Schnee oder Glätte passiert, prüft die Versicherung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Laut Bundesgerichtshof handelt grob fahrlässig, wer „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt“. Das ist beispielsweise der Fall, wenn:
- Ein Fahrer bei klar erkennbaren winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen unterwegs ist.
- Eine Glättewarnung ignoriert wurde, die auf Gefahrenstellen hinweist.
Die Versicherung darf ihre Leistung jedoch nur kürzen, wenn:
- Durchgehend winterliche Straßenverhältnisse herrschten.
- Der Unfall mit geeigneten Winterreifen hätte vermieden werden können.
Fallbeispiel: Unfall bei Glätte mit Sommerreifen – Ein Urteil mit Einschränkungen
Ein Autofahrer rutschte im Oktober auf der Mannheimer Jungbuschbrücke auf Glatteis in den Gegenverkehr. Obwohl er mit Sommerreifen unterwegs war, entschied das Amtsgericht Mannheim, dass die Regressforderung der Versicherung nicht berechtigt war (Az.: 3 C 308/14).
Die Begründung des Gerichts:
- Es herrschten keine durchgehend winterlichen Verhältnisse, da umliegende Straßen eisfrei waren.
- Die Versicherung konnte nicht nachweisen, dass der Unfall mit Winterreifen hätte vermieden werden können.
- Auch die Wetterlage spielte eine entscheidende Rolle: Die Glätte trat plötzlich und lokal auf, und es lag keine aktive Glättewarnung für das Gebiet vor.
Kein Freibrief für Sommerreifen im Winter
Trotz dieses Urteils ist das Fahren mit Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen keinesfalls risikolos. Zwar gibt es in Deutschland keine generelle Winterreifenpflicht für einen festen Zeitraum, doch die Straßenverkehrsordnung verlangt, dass Fahrzeuge bei Glatteis, Schnee und ähnlichen Verhältnissen nur mit „geeigneter Bereifung“ unterwegs sein dürfen (§ 2 Abs. 3a StVO).
Wer diese Vorschrift missachtet, riskiert nicht nur ein Bußgeld und einen Punkt in Flensburg, sondern läuft Gefahr, bei einem Unfall von der Versicherung in Regress genommen zu werden.
So bewertete das Oberlandesgericht Frankfurt (Az.: 3 U 182/02) das Fahren mit Sommerreifen im Winter als grob fahrlässig. Der betroffene Versicherte musste den Schaden an seinem Fahrzeug vollständig selbst tragen, da die Versicherung berechtigt war, ihre Leistungen zu verweigern.
Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor?
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt wird – etwa durch offensichtliche Gefahren wie das Fahren mit Sommerreifen auf verschneiten oder vereisten Straßen. In solchen Fällen kann die Versicherung ihre Leistungen anteilig oder sogar vollständig kürzen. Insbesondere dann, wenn eine allgemeine Glättewarnung erfolgt.
Weitere Beispiele für grobe Fahrlässigkeit:
- Überfahren eines Stoppschilds.
- Nicht an die Witterung angepasste Geschwindigkeit.
- Ablenkung durch das Bedienen von Radio oder Navigationsgerät.
Wie Sie Ärger mit der Versicherung vermeiden
- Reifen rechtzeitig wechseln: Spätestens im Oktober sollte auf Winterreifen gewechselt werden.
- Reifen prüfen: Achten Sie auf eine Profiltiefe von mindestens 4 mm und das Alpine-Symbol.
- Versicherungsvertrag anpassen: Viele Kfz-Tarife bieten mittlerweile den Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit an – ein zusätzlicher Schutz, falls doch einmal ein Fehler passiert.
Auf der sicheren Seite sind Autofahrer, die sich frühzeitig an eine Glättewarnung halten und ihre Reifen entsprechend anpassen. So lassen sich nicht nur Bußgelder vermeiden, sondern auch Streitigkeiten mit der Versicherung im Falle eines Unfalls.
Unser Tipp: Kontaktieren Sie uns, wenn Sie rechtliche Unterstützung bei Streitigkeiten mit Ihrer Versicherung benötigen. Wir setzen uns für Ihre Rechte ein und klären, ob eine Leistungskürzung berechtigt ist.
Winterreifenpflicht in Europa: Uneinheitliche Regelungen
In Europa gibt es keine einheitliche Regelung zur Winterreifenpflicht. In manchen Ländern gelten starre Zeiträume, in anderen nur situative Vorschriften:
- Österreich: Winterreifenpflicht vom 01.11. bis 15.04.
- Tschechien: Vom 01.11. bis 31.03.
- Schweden: Vom 01.12. bis 31.03., zusätzlich Frostschutzmittel und Schneeschaufel im Auto verpflichtend.
- Belgien, Frankreich, Spanien: Keine generelle Winterreifenpflicht, nur situativ vorgeschrieben.
Die Bußgelder variieren ebenfalls stark: Während in Österreich Strafen von bis zu 5.000 € drohen, belaufen sich diese in Deutschland auf maximal 120 €.
Fazit: Sicher unterwegs trotz Glättewarnung
- Wechseln Sie rechtzeitig auf Winterreifen oder Ganzjahresreifen mit Alpine-Symbol.
- Achten Sie auf lokale Gefahrenstellen wie Brücken oder Waldstraßen.
- Ignorieren Sie niemals eine Glättewarnung – sie schützt Sie und andere Verkehrsteilnehmer.
- Prüfen Sie Ihren Versicherungsvertrag auf Klauseln zur groben Fahrlässigkeit.
Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Ärger mit der Versicherung haben oder Fragen zur Winterreifenpflicht und Haftung bei Unfällen nach Schnee oder Glättewarnung haben. Unsere Experten für Verkehrsrecht stehen Ihnen kompetent zur Seite!
Bei Prof. Dr. Streich & Partner stehen wir Ihnen als Experten im Verkehrsrecht in Berlin und Brandenburg zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns, um Ihre Rechte durchzusetzen und eine fundierte Beratung zu erhalten.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Verkehrsrechtsexperte in Berlin Mitte
Rechtsanwalt Thomas Brunow von der Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner ist ein erfahrener Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin und Brandenburg. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er seine Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten. Als Vertrauensanwalt des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandes genießt er großes Vertrauen in der Automobilbranche. Zudem ist er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.
Schwerpunkte von Rechtsanwalt Thomas Brunow:
– Schadenregulierung nach Verkehrsunfällen: Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
– Verteidigung in Verkehrsstrafsachen: Spezialisierung auf Fälle wie Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht, Nötigung und Körperverletzung im Straßenverkehr.
– Verteidigung in Bußgeldverfahren Expertise bei Geschwindigkeitsverstößen, Rotlichtvergehen und Fahrtenbuchauflagen.
Rechtsanwalt Thomas Brunow steht seinen Mandanten mit umfassender Fachkenntnis zur Seite und sorgt für eine effektive Vertretung im Verkehrsrecht.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.