Bei schweren Unfällen bei einem illegalem Straßenrennen steht oft die Frage im Mittelpunkt, ob ein bedingter Verletzungs-, Tötungs- oder Gefährdungsvorsatz des Fahrers vorlag. Zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den Jahren 2024 und 2025 bringen wichtige Klarstellungen für die Anforderungen an die Beweiswürdigung.
Gerade bei der Verteidigung in Verkehrsstrafverfahren sind diese Grundsätze von großer Bedeutung. Wir fassen die Entscheidungen übersichtlich zusammen.
Bedingter Vorsatz im Verkehrsstrafrecht: Was bedeutet das?
Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter den Erfolg seiner Handlung – etwa eine Körperverletzung oder den Tod eines Menschen – als mögliche Folge seines Verhaltens erkennt (Wissenselement) und ihn entweder billigend in Kauf nimmt oder sich mit ihm abfindet (Willenselement).
Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraut, dass der schädliche Erfolg nicht eintreten wird.
Im Straßenverkehr, insbesondere bei illegalen Rennen, ist die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit oft schwierig – und entscheidend für das Strafmaß.
1. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2024 – Anforderungen an den Nachweis des Vorsatzes bei illegalem Straßenrennen mit Todesfolge
In dem Verfahren vor dem Landgericht Landau in der Pfalz hatte ein junger Fahrer sein Fahrzeug bei Starkregen mit mindestens 179 km/h auf nasser Fahrbahn beschleunigt und war in einer Kurve wegen Aquaplanings verunglückt. Zwei seiner Mitfahrer starben.
Das Landgericht hatte bedingten Körperverletzungs- und Gefährdungsvorsatz angenommen. Der BGH hob die Verurteilung jedoch teilweise auf:
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Das Landgericht habe nicht tragfähig festgestellt, dass der Fahrer sich der konkreten Gefahr bewusst war.
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Es fehle eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass der Fahrer sich selbst erheblich gefährdete– was gegen einen Vorsatz sprechen könnte.
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Die bloße Bezugnahme auf die objektive Gefährlichkeit der Fahrweise reiche nicht: Eine individuelle Vorsatzprüfung unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters sei notwendig.
Ergebnis: Die Beweiswürdigung genügte den hohen Anforderungen des BGH nicht. Der Fall wurde zur neuen Verhandlung an eine andere Jugendkammer zurückverwiesen.
2. BGH, Urteil im „Moeser-Raser-Fall“ – Bedingter Tötungs- und Gefährdungsvorsatz bei illegalem Straßenrennen
In einem weiteren, besonders aufsehenerregenden Fall („Moeser-Raser-Fall“) hatte der Angeklagte bei einem innerstädtischen Straßenrennen mit 167 km/h auf der Gegenfahrbahn eine Vollbremsung eingeleitet, als ein Fahrzeug aus einer Seitenstraße kam – dennoch kam es zu einer tödlichen Kollision.
Das Landgericht hatte einen bedingten Tötungsvorsatz bei dem Straßenrennen verneint, aber bedingten Gefährdungsvorsatz bejaht (§ 315d Abs. 2 StGB).
Der BGH beanstandete dies:
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Die Ausführungen des Landgerichts stünden in einem unaufgelösten Widerspruch: Einerseits sei der Angeklagte sich der tödlichen Gefahr bewusst gewesen, andererseits habe er darauf vertraut, es werde schon nichts passieren.
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Das Willenselement des Vorsatzes – die Billigung des Erfolges – sei unzureichend geprüft worden.
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Auch die Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes sei nicht tragfähig, weil nicht klar festgestellt worden sei, welche konkreten Beinaheunfallszenarien sich der Angeklagte vorgestellt habe.
Ergebnis: Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wurde das Urteil aufgehoben. Das neue Tatgericht muss präzisere Feststellungen treffen.
Zusammenfassung: Strenge Anforderungen an die Feststellung bedingten Vorsatzes bei illegalem Straßenrennen
Die aktuelle BGH-Rechtsprechung macht deutlich:
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Objektive Gefährlichkeit alleine reicht nicht aus. Es muss ermittelt werden, ob der Fahrer subjektiv die Gefährlichkeit erkannt und billigend in Kauf genommen hat.
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Die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ist eine Frage der konkreten Tatsituation und der inneren Einstellung des Fahrers.
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Eigengefährdung des Täters spricht grundsätzlich gegen einen Vorsatz.
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Widersprüchliche Beweiswürdigung führt zur Aufhebung von Urteilen.
Besonders bei illegalen Straßenrennen, aber auch bei extremen Verkehrsdelikten ohne explizite Abrede, ist die genaue Prüfung des subjektiven Tatbestandes entscheidend.
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Fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung
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Verdacht auf bedingten Tötungs- oder Verletzungsvorsatz
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